Gisela Dachs: Die Palästinenser,
Israel und der Holocaust
Referate, gehalten auf der Konferenz der Israel Interfaith Association
und der Konrad Adenauer Stiftung im Konrad-Adenauer-Kongresszentrum, am
30.10.2003
Gisela Dachs, seit vielen Jahren in Israel, die Korrespondentin des
Magazins Die Zeit, #/+bedarf keiner Vorstellung. Das Thema "Der Holocaust
in arabischer Sicht" hat sie seit langem beschäftigt. 1999 erschien
ihr grundlegender Artikel zu dem Thema "Wer sich nicht erinnert, hat keine
Geschichte. Die Palästinenser. Israel und der Holocaust" in dem von
ihr herausgegebenen Sammelband "Deutsche, Israelis und Palästinenser,
ein schwieriges Verhältinis" im Palmyra Verlag, Heidelberg. Ihr einleitendes
Referat ist eine verkürzte Wiedergabe des damals erschienenen Artikels
Nach einem langen und hoch interessanten Gespräch über
seine Forschungen als Biologe nahm mich ein palästinensischer Wissenschaftler
beiseite, um mich etwas Persönliches zu fragen. Was dann kam, war
kein überstürzter Heiratsantrag, sondern eine respektvolle Prüfung
meiner Geschichtskenntnisse. "Sagen Sie mir, das mit den sechs Millionen
ermordeten Juden, das stimmt doch gar nicht. Es waren doch viel weniger
gewesen, als die Israelis immer behaupten, oder?" Ich ließ mich auf
einen Austausch ein, der mein Gegenüber sichtlich ins Grübeln
brachte. Er blieb nicht der einzige Palästinenser, der mit mir eine
ernsthafte Diskussion über den Holocaust führen wollte und zum
Zuhören bereit war. Durch diese - neue - Aufgeschlossenheit gegenüber
dem Leid des jüdischen Volkes unterscheiden sich heute immer mehr
Palästinenser von ihren arabischen Brüdern, die meist weiterhin
in alten Denkmustern verharren.
Jeder deutsche Journalist, der den Nahen Osten bereist hat, kennt
die dort gehegten Sympathien für Deutschland, weil es "Bayern München,
Mercedes und Hitler" hervorgebracht habe. Und wenn über den Völkermord
an den Juden geredet wird, dann geht es selten um Fakten. Das Thema gilt
vielmehr als eine schlagkräftige Waffe in der Hand Israels, um seine
Stärke zu beweisen und mit westlicher Hilfe der gesamten Region seinen
Willen aufzuzwingen. Politische Frustrationen und das Gefühl, zu ewig
Unterlegenen zu gehören, verstellen den Blick auf die Vergangenheit.
Aus diesem Grund hatte sich vor Jahren der ägyptische Außenminister
während eines Israelbesuchs geweigert, dort die nationale Holocaustgedenkstätte
Yad Vashem in Jerusalem aufzusuchen. Dorthin zu gehen, wäre von der
Kairoer Regierung als Kapitulation vor dem Zionismus empfunden worden.
Hitlers Vernichtung der Juden sei ein Mythos, lautet ein gängiges
Argument, den die Israelis erfunden hätten, um den Zugriff auf arabisches
Land in Palästina zu rechtfertigen. Die Leugnung des Holocaust führte
dazu, dass sich einige arabische Länder weigerten, Steven Spielbergs
Film Schindlers Liste zu zeigen. So hatte die Regierung in Kairo den Film
verboten, weil dort "zu viele Morde" zu sehen seien. dass es aber auch
in Ägypten neuerdings Zeichen der Umorientierung gibt, zeigt das im
Frühjahr 1999 erschienene Buch "Der israelisch-arabische Konflikt
- Die Krise der Demokratie und der Frieden". Darin plädiert der Publizist
und Verleger Amin al-Mahdi unter anderem für die Gründung eines
gemeinsamen arabisch-israelischen "Friedensparlaments", in dessen Gründungscharta
er der Erinnerung an die Shoa als unmissverständliches Signal an arabische
Holocaustleugner einen zentralen Platz einräumen möchte.
Amin al-Mahdi reagierte damit auch auf die Unterstützung
arabischer Intellektueller des französischen Denkers Roger Garaudy,
der 1998 wegen Leugnung des Holocaust in Frankreich verurteilt worden war.
In dessen zwei Jahre zuvor erschienenem Buch "Die Gründungsmythen
der israelischen Politik" erhob er unter anderem Zweifel an der Existenz
der Gaskammern und deutete an, dass der israelische Staat den Holocaust
seit seiner Existenz als moralisches Druckmittel seiner Politik einsetze.
Die Angaben über den Massenmord hätten nur dazu gedient, die
Gründung des Staates zu rechtfertigen. Der 85jährige Garaudy,
der in seinem Leben gleich mehrere persönliche Wenden - vom Protestantismus
über den Katholizismus und Marxismus zum Islam vollzogen hatte, war
daraufhin zum politischen Symbol im Nahen Osten geworden. Seine Vortragsreisen
in der Region von Kairo bis Dubai verwandelten sich in regelrechte Triumphzüge,
"weil Garaudy die israelische Politik kritisiert und damit die arabischen
Interessen, also die Rechte der Palästinenser, vertritt", wie es die
jordanische Schrifstellerin Nadia Aloul formulierte. Zahlreiche Berufsorganisationen
in der arabischen Welt, unter anderem auch der palästinensische Schriftstellerverband
in Ostjerusalem, veröffentlichten Erklärungen, in denen sie den
Prozess gegen Garaudy kritisierten und zur Unterstützung des Kampfes
gegen die Zionisten aufriefen. Statt Fakten zählte das Motto: Der
Feind meines Feindes ist mein Freund. Manche Kommentatoren verglichen die
Gerichtsverhandlung gegen den Franzosen mit dem Schicksal Salman Rushdies.
Sie verwiesen auf die Empörung, mit der die westliche Welt auf das
Todesurteil gegen den Autor der Satanischen Verse reagiert hatte, und warfen
ihr vor, die Meinungsfreiheit von Schriftstellern nur dann zu verteidigen,
wenn ein Buch dem eigenen Denken entspräche.
Es gab aber auch Ausnahmen. So verfasste der libanesische Autor
Elias Khoury zur Debatte über Roger Garaudy einen mutigen Artikel,
in dem er sich darüber beklagte, dass sich die arabische Kultur nicht
ernsthaft mit der erschreckenden Bedeutung des Gedankens der 'Endlösung'
auseinandergesetzt habe. "Wir Narren ignorieren die ganze Frage und loben
jeden, der die Vernichtungslager der Nazis leichthin abtut und ihre Bedeutung
herabsetzt. Trägt der Plan zur Vernichtung der Juden etwa nicht den
Samen der Vernichtung jeder anderen Rasse, jedes anderen Volkes in sich?"
Ähnlich kritisch argumentierte der libanesische Journalist Hazem Saghiyeh
in der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al-Hayat: "Unter dem
Eindruck unserer eigenen Katastrophe haben wir die Fähigkeit verloren,
die Ursachen und Beweggründe für das zu identifizieren und zu
verstehen, was uns widerfahren ist. Unsere Elite (und nicht nur das
einfache Volk) versteigt sich sogar dazu, sich mit jedem zu verbünden,
der die Geschichte leugnet und das Einwirken des einen Faktors auf den
anderen verneint. Und so hindern sie uns daran, unser eigenes Schicksal
zu verstehen und ein erhabenes menschliches Empfinden zu entwickeln, wie
es auch für die Bewältigung des Palästinenserproblems unabdingbar
wäre."
Der Wirbel um Garaudy, dessen Schriften in arabischer Übersetzung
breiten Absatz gefunden hatten, veranlasste auch den Palästinenser
Edward Said zu einem erneuten Appell an die arabische Welt, die Haltung
zum Holocaust zu revidieren. Said, der in New York lebt und an der Columbia-Universität
unterrichtet, gehörte zu den ersten arabischen Intellektuellen, die
von der Notwendigkeit sprachen, das jüdische Leid anzuerkennen. Im
August 1998 antwortete er den Anhängern Garaudys in "Le Monde diplomatique":
"Warum erwarten wir von der ganzen Welt, unserem Leid als Araber gegenüber
aufgeschlossen zu sein, wenn wir unfähig sind, uns dem Leiden anderer
gegenüber aufzuschließen, auch wenn diese anderen uns unterdrücken?
Im Gegenteil, die Realität des Holocaust und den Wahn des Völkermords
am jüdischen Volk anzuerkennen, verleiht uns Glaubwürdigkeit
hinsichtlich unserer eigenen Geschichte; das gibt uns die Möglichkeit,
die Israelis und Juden zu bitten, eine Verbindung herzustellen zwischen
dem Holocaust und den zionistischen Ungerechtigkeiten, die an den Palästinensern
begangen wurden." Ähnlich argumentiert längst auch der palästinensische
Dichter Mahmoud Darwisch, der mir im Sommer 1998 im Gespräch wie selbstverständlich
auf meine Frage zu diesem Thema antwortete, dass "wir Palästinenser
die jüdische Version des Holocaust akzeptieren müssen". Denn
dieser Schritt gehöre zur Aussöhnung mit Israel.
In seiner "Erklärung zu Palästina" anlässlich
des 50. Jahrestages der Al-Nakba, der palästinensischen Katastrophe
von 1948, rief Darwisch sein Volk offiziell dazu auf, den Holocaust nicht
länger zu ignorieren.
Wenige Monate zuvor hatte sich PLO-Chef Yassir Arafat bereit
erklärt, das Holocaustmuseum in Washington zu besuchen. Das führte
zu einer heftigen Kontroverse in den amerikanischen jüdischen Gemeinden:
Die einen hofften, dass Arafat bei seiner Tour durch die Gedenkstätte
endlich angemessen über das jüdische Leid informiert würde,
während die anderen in Arafat weiterhin bloß den alten Terroristen
sahen, der diesen Besuch allein aus politischem Kalkül heraus hätte
machen wollen. Seine bloße Anwesenheit an diesem Ort wäre eine
Farce. Um die Sache nicht noch komplizierter zu machen als sie schon war,
sagte der PLO-Chef diesen Programmpunkt aus Zeitgründen ab. Ein Jahr
später ließ er sich dann aber während eines Aufenthalts
in Amsterdam in das Anne-Frank-Museum führen. Hinter solchen palästinensischen
Annäherungen an die jüdische Geschichte mögen politische
Motive stehen - in jedem Fall finden sie statt und haben allein deshalb
schon Symbolcharakter.
Etwa zur gleichen Zeit wie Garaudys Pamphlet erschien im Libanon
eine neue arabische Ausgabe von Mein Kampf. Den Umschlag ziert ein Hakenkreuz
und ein Foto des jungen Hitler. Im Vorwort wird den Lesern erklärt,
dass Hitlers Theorien von Nationalismus, Regierung und Rasse "ewige Fragen"
seien. Hitler sei "einer der wenigen großen Männer, die fast
den Lauf der Geschichte aufgehalten hätten", und habe ein "intellektuelles
Erbe" hinterlassen. Erst dann räumt der Verfasser ein, dass die Nazis
eine "Einparteien-Diktatur auf Gewalt und Brutalität und Machiavellismus"
gegründet hätten. Vom Hass auf die Juden ist in der Einleitung
nicht die Rede. Fragt man seine arabischen Anhänger, warum sie denn
Hitler so sehr verehren, lautet die Antwort meist: "Weil er ein starker
Mann war."
Dabei beruht die arabische Liebe zu Hitler auf einem Missverständnis.
Als Gegner der Mandatsmächte Frankreich und England betrachtete man
Deutschland in den dreißiger Jahren als einen natürlichen Verbündeten.
dass es damals zu keinem stärkeren Eingreifen Deutschlands im Nahen
Osten kam und die Araber das wahre Gesicht der Nationalsozialisten nicht
zu sehen bekamen, trug zur Bildung eines "Mythos Hitler" bei, ebenso wie
die Tatsache, dass das Ausmaß der Judenverfolgung nicht wirklich
wahrgenommen wurde. Vielmehr betrachtete man das Dritte Reich als Verbündeten
in der Abwehr eines jüdischen Staates. Dahinter jedoch eine konsequent
rassistisch-ideologische Anlehnung an die Nazis vermuten zu wollen, wäre
absurd. In diesem Zusammenhang wies der deutsche Forscher Peter Wien in
dem Berliner "Palästina Journal" (Mai 1999) auf den Vorschlag eines
der aktivsten Vertreter deutscher "Araberpolitik" hin, des deutschen Gesandten
in Bagdad Friedrich Grobba. Denn schon als es 1934 darum ging, eine offizielle
arabische Übersetzung von Mein Kampf anzufertigen, um nicht autorisierten
Versuchen von arabischer Seite zuvorzukommen, wollte Grobba den Begriff
"antisemitisch" durch "antijüdisch" ersetzen lassen, um Irritationen
vorzubeugen. Man kann davon ausgehen, dass der deutsche Führer, wäre
er noch dazu gekommen, alle semitischen Völker mit der gleichen Grausamkeit
behandelt hätte wie die Juden.
Auf diesen doppelten Hass ging der bekannte marokkanische Schriftsteller
Taher Ben Jelloun ein, als er im Frühjahr 1999 erstmals nach Israel
kam und dort sein neuestes Buch "Papa, was ist ein Fremder?" vorstellte.
Als man ihn nach seiner Meinung zu dem arabischen Umgang mit dem Holocaust
fragte, betonte der in Paris lebende Autor, wie nahe Antisemitismus und
Antiarabismus beieinanderlägen. "Wer in Frankreich keine Juden leiden
kann, der mag in der Regel auch keine Araber." Deshalb gäbe es genug
Grund für einen gemeinsamen Kampf. Diese Logik liegt für alle
Europäer auf der Hand, die vor den Gefahren der eigenen rechtsradikalen
Bewegungen warnen; aber im Nahen Osten muss auf diese Schattenseite des
Alten Kontinents oft erst noch hingewiesen werden.
Als mich ein 19jähriger libanesischer Druse im Choufgebirge
einmal beiseite nahm und fragte, ob es denn stimmen würde, dass die
Deutschen heute Hitler nicht mehr leiden könnten, bejahte ich. Er
zeigte sich enttäuscht von meiner Antwort. Dann erzählte er,
wie gerne er nach Deutschland kommen würde, um dort zu arbeiten. Denn
das Leben sei dort gut und das Geld viel wert. An dieser Stelle erinnerte
ich ihn daran, dass es in meiner Heimat durchaus noch Menschen gebe, die
Hitler toll fänden. Allerdings könnten diese Kreise für
ihn, den dunkelhäutigen Libanesen, höchst gefährlich werden,
sollte er es tatsächlich bis nach Deutschland schaffen. Der junge
Mann wies verwirrt darauf hin, dass sein Gesicht nach libanesischen Normen
"doch eigentlich sehr hell" sei. Dann verstummte er. Auf eine solche Logik
war er nicht vorbereitet gewesen. In der Schule hatte er weder etwas über
die früheren noch über die heutigen Nazis erfahren. Solche Themen
lässt der Lehrplan im Hinblick auf den Noch-Erzfeind Israel nicht
zu.
Vielleicht entspreche es dem Wesen des Krieges, dass bis zur
Beendigung eines Konflikts seine Geschichte nicht korrigiert werden könne,
schrieb 1996 der in Beirut ansässige Nahostkorrespondent Robert Fisk
in der britischen Tageszeitung "Independeut". "Die Tücke des Holocaust
- seine Einzigartigkeit, sein absichtlicher Völkermord - hat die Araber
auf eine Probe gestellt, bei deren Bewältigung sie gescheitert sind.
Kein Muslim im Nahen Osten hat Probleme, anzuerkennen, dass die Türken
1915 einen Völkermord an den Armeniern begangen haben, obwohl diese
Grausamkeiten von Muslimen begangen wurden. Aber der Holocaust verlangt
ein Mitgefühl, das die gedemütigte arabische Welt nur schwer
aufzubringen vermag." Allerdings lässt sich hier anfügen, dass
sich die israelischen Regierungen ihrerseits bisher eher ambivalent gegenüber
dem Massaker an den 1,5 Millionen Armeniern durch die Türken im Jahre
1915 verhalten haben. Dass Israel diesen Völkermord nie so laut verurteilt
hat, wie es sich die Armenier gerade vom jüdischen Volk gewünscht
hätten, hat emotionale und politische Gründe. Da gibt es zum
einen die Befürchtung, dass dadurch die Einzigartigkeit des Holocaust
in Frage gestellt werden könnte; zum anderen will man den guten Beziehungen
mit dem militärischen und politischen Bündnispartner Türkei
nicht schaden.
Weil die Interpretation von Geschichte immer auch ein Vehikel
der Politik sein kann, hält der prominente Intellektuelle Azmi Bishara
jeden Versuch, die Palästinenser mit dem Holocaust in Verbindung zu
setzen - und sei es nur durch das Bindewörtchen "und" -, zunächst
einmal für verdächtig. Denn für den palästinensischen
Philosophen mit israelischem Pass, der an der Berliner Humboldt-Universität
studiert hat und seit 1996 als Abgeordneter in der Knesset sitzt, sind
die Palästinenser nur mittelbar mit der Geschichte des Holocaust oder
vielmehr mit der "Geschichte des Post-Holocaust" verbunden. Die Palästinenser
seien allenfalls seine "indirekten Opfer, insofern als sie von seinen direkten
Opfern ihrer Heimat beraubt wurden", schreibt er in "Die Araber und der
Holocaust - Die Problematisierung einer Konjunktion" (erschienen in: "Der
Umgang mit dem Holocaust", Schriften des Instituts für Zeitgeschichte
der Universität Innsbruck und des Jüdischen Museums Hohenems).
Bishara erinnert daran, dass sich die Araber damals "in eine Krise der
europäischen Zivilisation verstrickt sahen, die sie weder verursacht
hatten noch verhindern oder begrenzen konnten, aber an deren Folgen sie
leiden mussten". Ihre Reaktion habe deshalb zwischen zwei Polen gependelt:
der Verleugnung des Leidens der Juden einerseits und der Gleichsetzung
des Zionismus mit dem Nazismus andererseits. Für Azmi Bishara ist
beides unhaltbar. So lehnt er auch die exisistierende Tendenz ab, das Leiden
der Palästinenser mit dem der Juden zu vergleichen. Denn dazu wäre
es notwendig, in der Darstellung des palästinensischen Leidens zu
übertreiben und das Ausmaß des Holocaust zu vermindern. "Eine
reife Position, die den Holocaust in seinem ganzen Ausmaß begreift,
ohne dabei die palästinensische Tragödie zu bagatellisieren -
und zwar auf Grund der einfachen Erkenntnis, dass zwischen diesen beiden
Ereignissen kein Zusammenhang besteht - ist sehr selten anzutreffen", bedauert
Bishara.
Seine Kritik richtet sich aber auch an Israel, wo das Verhältnis
der Araber zum Holocaust und zum Nazismus meist im Spiegel des Konflikts
mit der arabischen Welt erforscht und bewertet wurde. Dabei geriet meistens
in den Hintergrund, dass die arabische Welt nie jenes Ausmaß an Gewalt
erreicht hatte, wie sie in diesem Jahrhundert in Europa zutage trat. Ebenso
sei ja der arabische Judenhass auch nicht der Grund, sondern vielmehr eine
Folge des israelisch-arabischen Konflikts gewesen - eine Tatsache, die
in Israel von rechten Politikern gerne heruntergespielt wird, um nicht
am alten Feindbild zu rütteln.
Diese These von der arabischen Bösartigkeit nach dem Ersten
Weltkrieg hat Israeli Gershoni in seinem 1999 erschienenen Buch "Licht
im Schatten - Ägypten und der Faschismus 1922-1937" widerlegt. Der
israelische Historiker zeigt, dass ein Großteil der ägyptischen
Gesellschaft zu dieser Zeit sogar gegen Faschismus und Nazismus eingestellt
war. Israel habe die arabische Welt als Kollaborateur mit diesen Mächten
sehen wollen, weil das den zionistischen Mythen diente. "Natürlich
gab es damals Leute in Ägypten, die auf der Seite der Nazis standen",
sagt Gershoni, "aber sie bildeten eine Minderheit. Es war vielmehr Anwar
el-Sadat, der im nachhinein für die Verankerung des Mythos von ägyptischen
Sympathien für die Nazis sorgte. Der antibritische Sadat identifizierte
sich mit dem deutschen General Rommel, der im Zweiten Weltkrieg in der
arabischen Wüste gegen die Briten gekämpft hatte; und in den
fünfziger Jahren erzählte Saddat von seinen eigenen Heldentaten
und rühmte sich damit, für Hitler zu sein."
Weil Wahrheit und Wahrnehmung oftmals auseinanderklaffen, hält
es Gershoni für ein Problem, dass viele seiner akademischen Kollegen
in den israelischen Nahostforschungszentren lieber Politiker spielen wollen,
statt sich auf ihre Rolle als sachliche Wissenschaftler zu beschränken.
Dass der Umgang mit dem Holocaust und der Nazizeit in Israel
selbst zum politischen Instrument umfunktionalisiert werden kann, zeigte
schon Menachim Begin. Er hatte einst seinen Erzfeind Yassir Arafat, dessen
Gefolgsleute 1982 aus Beirut vertrieben werden sollten, als "Hitler im
Bunker" bezeichnet. So mancher Likud-Vorsitzende hatte auch schon die PLO
mit der SS verglichen und Israels Grenzen von 1967 als Auschwitzgrenzen
definiert: Je böser die arabische Welt, um so eher lässt sich
gegenüber den Palästinensern eine harte Linie rechtfertigen.
Wer nach Beispielen für diese These sucht, wird zudem leicht fündig,
vor allem in der arabischen Presse. Die Regierung von Ministerpräsident
Benyamin Netanyahu schickte regelmäßig an alle Auslandskorrespondenten
Zitatesammlungen, vor allem aus ägyptischen Zeitungen, in denen der
Holocaust geleugnet wird oder die besonders antijüdisch und antiisraelisch
waren. So berichtete Al-Akhbar im September 1998 von "der jüdischen
Erfindung der Massenvernichtung" mit dem Ziel, "die Juden zur Einwanderung
nach Israel zu bewegen und die Deutschen materiell zu erpressen sowie die
Unterstützung der Welt für die Juden zu bekommen". In einer anderen
Zeitung hieß es, dass der "israelische Charakter" streitsüchtig
sei, weil die Juden ihr Konfliktverhalten "mit der Muttermilch aufsaugen"
sowie "hinter allen Kriegen stehen und sich Zerstörung zum Ziel gesetzt
haben". Von normalen Beziehungen kann somit auch 20 Jahre nach dem Friedensabkommen
von Camp David keine Rede sein.
Die zeitliche Nähe zwischen dem Holocaust und der Staatsgründung
Israels mag dazu beigetragen haben, dass beide Ereignisse im arabischen
Bewusstsein gleichgesetzt werden. Wer den Holocaust angreift oder leugnet,
will im Grunde Israel treffen. Die Anerkennung des jüdischen Schicksals
während der Nazizeit ist zu einer Art politischer Konzession geworden.
Sich dem Leid des anderen gegenüber zu öffnen, fällt besonders
schwer, wenn man sich wie die Palästinenser selbst als Opfer fühlt.
Andererseits gibt es heute gerade unter ihnen immer mehr, die zu verstehen
bereit sind, dass die israelische kollektive Psyche sehr tief von dieser
Vergangenheit beeinflusst ist. Wer den ehemaligen Feind besser verstehen
will, sollte die Gründe seines Traumas kennen.
Ein konkreter Anstoß in diese Richtung kommt nun ausgerechnet
von einem Deutschen, der Palästinensern das Leid des jüdischen
Volkes im Holocaust durch einen Besuch in Yad Vashem näherbringen
möchte. dass er sich mit seiner Initiative auf ein vermintes Gebiet
begeben würde, war dem Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in den
palästinensischen Gebieten, Henning Niederhoff, von Anfang an klar
gewesen. Deshalb geht er so behutsam wie möglich vor, wenn er immer
wieder neue kleine Gruppen zusammenstellt, zu denen Palästinenser,
Israelis und Deutsche gehören.
Dadurch sollen "keine Grenzen verwischt" werden, sondern es geht
darum, dass sich die Teilnehmer als "Individuen" dorthin begeben und bereit
sind, sich auf eine Betroffenheit einzulassen, die verschiedene Ebenen
hat. "Die Idee war entstanden", erklärt Niederhoff, "nachdem ich gemerkt
habe, wie wenig man auf palästinensischer Seite von dieser Epoche
der europäischen Geschichte weiß." Weil leicht Missverständnisse
entstehen könnten, wenn sich Deutsche mit dem Holocaust beschäftigen,
vor allem, wenn sie das im Nahen Osten tun, finden diese mehrstündigen
Besuche auf privater Ebene und ohne Medienwirbel statt. Ohne diesen Schutz
würden die meisten diesen Schritt wohl gar nicht wagen.
Die Palästinenser gehen mit ihren Augen durch die israelische
Holocaustgedenkstätte, deren Erklärungen auch nicht für
sie konzipiert wurden. Sie sind auf hebräisch und englisch verfasst
und nicht in der zweiten offiziellen Landessprache, auf arabisch. Um so
größer ist der Schock, wenn sie dort an prominenter Stelle ausgerechnet
auf ein Foto von einem der Ihren stoßen: Es handelt sich um Haj Amin
al-Husseini, den Mufti von Jerusalem, der einen Teil des Zweiten Weltkrieges
in Berlin verbrachte und die Deutschen zu weiteren militärischen Siegen
anspornte. Für die Palästinenser gilt der Mufti als Held, weil
er sich niemals mit der jüdischen Einwanderung im Vorkriegspalästina
abfand und niemals einem demütigenden Frieden zustimmte. Vor dem Teil
der Ausstellung in Yad Vashem, wo die Vernichtungslager dokumentiert werden,
ist neben seinem Bild eine Rede abgedruckt, die er am 1. März 1944
im Radio Berlin gehalten hat: Darin ruft der Mufti die Araber auf, die
"Juden zu massakrieren, wo immer sie zu finden sind".
Dieser Appell ist den meisten Palästinensern unbekannt.
Dass ihr Volk auf diese Weise quasi in eine Reihe mit den Naziverbrechern
gestellt wird, stößt auf große Bestürzung. Es taucht
unwillkürlich die Frage auf, wie denn die vielen Touristen und Neueinwanderer
aus der ehemaligen Sowjetunionr auf diese "Kriminalisierung der palästinensischen
Opfer" reagieren würden. Das Gefühl, hier in Yad Vashem plötzlich
der Täterseite anzugehören, habe seine Trauer mit den Juden
überlappt, erinnert sich ein palästinensischer Besucher. Er fragt,
warum man an dieser Stelle nicht lieber auf die Schergen des Vichy-Regimes
verwiesen hat.
In der Diskussionsrunde hinterher geht es dann allerdings nicht
nur um den Mufti, sondern um die verschiedenen Emotionen, die der ungewöhnliche
gemeinsame Besuch ausgelöst hat. Meist stehen die unterschiedlichen
Ängste im Zentrum, die es auf beiden Seiten gibt. Manche Bilder von
Flucht und Vertreibung vor Augen, fühlen sich die Palästinenser
unwillkürlich an das eigene Schicksal und die immer noch ungewisse
Zukunft erinnert. Und plötzlich sind auch die Israelis nicht mehr
nur die Überlegenen und Starken, wie sie meist im Alltag von den Palästinensern
wahrgenommen werden. Es treffen zwei unterschiedliche Gedächtnisse
aufeinander, die durch den immer noch ungelösten Konflikt um das Land
miteinander verbunden sind.
"lch fühle mit den (jüdischen) Opfern, aber ich würde
es vorziehen, wenn die Museumsausstellung mit der Befreiung der Todeslager
1945 enden würde. Die Verbindung mit der Schaffung Israels ist aus
der Sichtweise meines Volkes, der Palästinenser, unlogisch", schrieb
ein palästinensischer Journalist nach dem Besuch. Für andere
wiederurn liegt es auf der Hand, dass die palästinensische Beschäftigung
mit dem jüdischen Leid während des Holocaust eine israelische
Beschäftigung mit dem palästinensischen Leid seit 1948 erfordere.
Musste am Anfang noch an die Großzügigkeit der Palästinenser
appelliert werden, um sich nach Yad Vashem zu wagen, war dies nach dem
ersten Besuch nicht mehr nötig. Seither schlagen die Teilnehmer selbst
neue Kandidaten aus ihren Familien und ihrem Bekanntenkreis vor. Mit dem
Eintrag: "Es war soweit, die Barriere zu brechen", bedankte sich ein Palästinenser
bei den Organisatoren und ermutigte zum Weitermachen. Er blieb nicht der
einzige. Das Interesse an einem Thema, das vor wenigen Jahren noch als
Tabu behandelt wurde, scheint auf palästinensischer Seite behutsam
zu wachsen.
Als sich Yitzhak Rabin und Yassir Arafat im Herbst 1993 vor dem
Weißen Haus die Hände reichten, hatten sie beschlossen, die
Vergangenheit hinter sich zu lassen, um nach vorne, in eine gemeinsame
Zukunft, blicken zu können. Sonst wäre der Weg wohl gleich am
Anfang versperrt gewesen. Seither hat aber trotz aller Hindernisse eine
intellektuelle Annäherung in beide Richtungen stattgefunden. So sind
in Israel die einst bahnbrechenden Recherchen des Historikers Benny Morris
über die Flucht und Vertreibung der Palästinenser nach der Staatsgründung
Israels inzwischen in die Schulbücher eingegangen; und Morris selbst
hat endlich eine gesicherte akademische Existenz an der Ben-Gurion-Universität
in Beersheva gefunden. Als man in Israel im Mai 1998 den 50. Unabhängigkeitstag
feierte, blickte man auch nach drüben in die Autonomiegebiete, wo
die Palästinenser erstmals offiziell der Al-Nakba, der Katastrophe
von 1948, gedachten. Manches erinnerte dabei an die israelische Erinnerungskultur.
Dazu gehörte zum Beispiel eine Sirene, wie sie jedes Jahr am Holocaustgedenktag
ertönt, aber auch der Versuch, die eigene - unter 400 zerstörten
Dörfern begrabene - Geschichte auf einer Landkarte zu rekonstruieren
und Berichte von Augenzeugen zu sammeln. Denn wer sich nicht erinnert,
hat keine Geschichte.
Ein historischer Kompromiss zwischen Israelis und Palästinensern
wird beiden kollektiven Gedächtnissen Rechnung tragen müssen.
Dabei geht es nicht darum, das Leid des anderen mit dem eigenen zu vergleichen,
sondern es anzunehmen. Wenn das gelingen sollte, dann wäre der Frieden
im Nahen Osten sicherlich ein Stück näher gerückt.
zur
Übersicht |
Die Schoah und die arabische
Welt
Vortrag von Muhammad Hourani
Muhammad Hourani ist Dozent an dem David Yellin Lehrerseminar in
Jerusalem und Mitarbeiter am Schalom Hartman Institut. Er ist der Übersetzer
von Werken Janusch Korczaks ins Arabische.
Das große Interesse an der Schoah - weltweit und in der
jüdischen Welt weicht erheblich von dem ab, was man bezüglich
anderer historischer Ereignisse beobachten kann. Zuweilen scheint es, als
würden wir uns mit einem Geschehen beschäftigen, das über
oder außerhalb der Geschichte liegt, ist es doch in seinem Umfang
und der Zahl seiner Opfer, dem System der Vernichtung und dem, das vernichtet
wurde, beispiellos in der Geschichte. Es ist deshalb richtig, dieses Ereignis
als beispiellos zu bezeichnen, jedoch ist es ein Fehler zu erklären,
es sei außerhalb der Geschichte. Schließlich haben es Menschen
verursacht - wie auch immer wir sie nennen, bleiben sie ja Menschen. Aus
einem weiteren Grund verbietet es sich, dieses Ereignis aus der Geschichte
heraus zu nehmen, insbesondere jetzt, wo wir über die historischen
und universalen Lehren sprechen, die die Schoah uns aufgibt. Und für
Gegenwart und Zukunft haben wir alle, die wir dieses kleine globale Dorf
teilen, aus diesem Geschehen viel zu lernen.
Die Schoah als historisches Ereignis unterscheidet sich von anderen
Geschehnissen. Als jemand, der sich für Geschichte interessiert, habe
ich gelernt, dass eine Begebenheit - so bedeutend sie auch sein mag, im
Laufe der Zeit verblasst und zunehmend in Vergessenheit gerät. Und
auf die, die das menschliche Gedächtnis zu bewahren vermag, bezieht
man sich wie durch das Okular eines Mikroskops, nachdem sie ihre "Wärme
und die historische Glut" verloren haben. Die Schoah jedoch, verhält
sich gegensätzlich zum historischen Prozess und dem Bewusstsein der
Menschen - je weitere Kreise die Zeit zieht, desto mehr tritt das Ereignis
ins Zentrum des historischen Bewusstseins der Menschheit - bei Juden und
heute mehr und mehr auch bei Nichtjuden. Die Wahrung des Gedächtnisses
drückt sich nicht nur in einem einfachen Bewusstsein aus, sondern
viele Länder haben entschieden, durch das Aufstellen von Gedenktafeln,
die Festlegung von Gedenktagen und die Veranstaltung von Zeremonien das
Gedenken an die Schoah in offizieller Weise zu gestalten (England
ist nur ein Beispiel dafür).
Dass man - wegen der universalen Lehren der Schoah - das Schoahgedenken
aus den Händen der Juden entreißt, wird begleitet vom Versuch,
auch andere historische Ereignisse als Schoah anderer Völker anzuerkennen.
Kürzlich hat sogar das israelische Erziehungsministerium anerkannt,
dass auch die Armenier Opfer einer Schoah wurden, deren Andenken man erhalten
muss (Idan Sarid) - und das, obwohl es noch viele Juden gibt, die sich
gegen eine solche Aufweichung des Begriffs stellen und es ablehnen, wenn
andere die Terminologie der Schoah für ihre Geschichte übernehmen
wollen.
Natürlich ziehen Menschen an historischen Schwellen eine
gründliche Bilanz dessen, was sie dazu beigetragen oder nicht beigetragen
haben, dass sich etwas bestimmtes ereignen konnte bzw. um ein bestimmtes
Geschehen zu verhindern. Wir alle leben an der historischen Schwelle zwischen
dem 20. und dem 21. Jahrhundert. Die Sorge und Furcht, die diese Zeitenwende
begleitet haben, sind noch frisch in unser aller Gedächtnis. Aus historischem
Blickwinkel wurde diese Schwelle von einer historischen Bilanz der vergangenen
Ereignisse und der Menschen, die an ihnen beteiligt waren und sie beeinflussten,
begleitet. Die Schoah nimmt eine hervorgehobene Stellung im historischen
Bewusstsein der Menschheit als in ihrer Art singuläres Ereignis ein.
Das Ende des 20. Jahrhunderts wurde auch von einem politischen
Umschwung in den Staaten jenseits des eisernen Vorhangs begleitet. Der
kommunistische Ost-Block existiert nicht mehr, seine verschiedenen Staaten
wurden voneinander unabhängig und setzten liberale Regierungen ein.
Diese Wende ermöglichte die Öffnung der Staaten sowie der Regierungsarchive
und erlaubte den Bürgern freien Zugang zu ihrer Vergangenheit. Viele
Informationen tauchten auf und wieder stieß man auf Ereignisse, mit
denen man sich zuvor wegen der politischen Lage und der früheren Regierungen
nicht ausreichend auseinandergesetzt hatte.
In unserer Region hat sich zwischen Israel und den Palästinensern
ein besonderer politischer Prozess entwickelt. Das hat zum ersten Mal und
mit großer Heftigkeit die Notwendigkeit der Entwicklung einer geographischen
Identität des Staates Israel, des jüdischen Staates, aufgeworfen.
Dies ist ein schmerzlicher und ermüdender Vorgang und je stärker
die israelische Seite dazu gezwungen ist, desto mehr erwacht die traumatische
Vergangenheit. Hat doch der Staat Israel argumentiert, er sei wegen der
Schoah errichtet worden bzw. um einem verfolgten Volk Zuflucht zu geben
und um der Verfolgung und dem Antisemitismus ein Ende zu bereiten, wodurch
die Beziehungen der anderen Völker zu den Juden charakterisiert waren.
Der Rückgriff auf die Schoah sollte die Welt daran erinnern, warum
der jüdische Staat gegründet worden war und wem er dienen sollte.
Die Araber akzeptieren dieses Argument im Übrigen nicht und verweisen
auf die Tatsache, dass der Kampf zwischen ihnen und den Juden lange vor
der Schoah begann. Die Arbeit der ersten Pioniere in Palästina, Herzel
und Basel stehen lange vor der Schoah, weshalb die Verbindung von Schoah
und Staatsgründung für die Araber nicht akzeptabel ist.
Die politische Instrumentalisierung der Schoah lässt sie
im Bewusstsein der Menschen bleiben. Die Schoah ist schon vor langer Zeit
zu einem der Zeichen des Staates Israel geworden, der Schoah-Gedenktag
ist gesetzlich verankert, Erinnerungsstätten wurden errichtet, an
ihrer Spitze Yad Vashem, deren Besuch zum Protokoll eines jedes offiziellen
Israelbesuchs hochrangiger Persönlichkeiten gehört. Die Weigerung
von Amru Mussa, damals ägyptischer Außenminister, Yad Vashem
zu besuchen, hätte fast zu einem diplomatischen Zwischenfall zwischen
beiden Staaten geführt. Viele Täter, wie Eichmann und Demianiuk,
sind verfolgt worden und ein Teil wurde in Israel vor Gericht gestellt.
Was sich um solche Prozesse herum entwickelte, entbehrte nicht des politischen
Aspekts und der Instrumentalisierung durch die israelische Regierung.
Der Golfkrieg, der vergangene und vielleicht auch der noch ausstehende
mit all dem Gerede über Gas, Masken und Scuds, haben ihren Beitrag
zur Schärfung des historischen Gedächtnisses geleistet, zumindest
bei Teilen der israelischen und jüdischen Öffentlichkeit.
Zwei weitere Aspekte lassen sich hier gemeinsam anführen,
auch wenn auf den ersten Blick keine Verbindung zwischen ihnen zu bestehen
scheint. Für unsere Diskussion jedoch gibt es eine sehr enge Verbindung
zumindest auf der Ebene des kulturellen Bewusstseins. Ein arabisches Sprichwort
besagt: "Das Recht stirbt nicht solange hinter ihm noch jemand steht, der
es einfordert." Das jüdische Volk - vertreten durch die "Jewish Agency"
und durch den Staat Israel - hat weiter die Rechte der ermordeten Juden
und derer die überlebt haben eingefordert. So gelang es ihnen, Themen
auf die Tagesordnung zu bringen, wie das Gold auf den Schweizer Banken,
die Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland, die Entschädigungen im Adenauer-Abkommen
und mit Siemens und IBM, die Versicherungspolicen der Juden, die Gerichtsverhandlung
mit Generali und auch die ruhenden Konten bei den Schweizer Banken. Alles
dies konnte vor allem durch die Entschlossenheit und Ausdauer der Forderungen
erreicht werden. Ich habe bereits gesagt, dass das zuvor zitierte arabische
Sprichwort den Palästinensern die richtige Richtung weist.
Auch die Palästinenser sind hier hartnäckig, - etwa
was das Rückkehrrecht angeht - nicht auf das Gedächtnis im historischen
Bewusstsein zu verzichten. In der Tat wissen alle, dass dieses Thema aus
der Sicht des israelischen Staates ein Totschlagthema und nicht zu überwindendes
Hindernis darstellt, trotzdem verzichten sie nicht darauf, dieses Recht
wieder und wieder einzufordern. Die Palästinenser tragen vielleicht
unbewusst zur Konservierung der Erinnerung der Schoah bei, wenn sie ihr
Argument, selbst Opfer zu sein, anführen - denn dieses Argument impliziert
ja gerade keine Leugnung der Schoah. Im Gegenteil - es liegt ein deutlicher
Akzent von NichtLeugnung darin, wenn sich die Palästinenser, selbst
Opfer, weigern den Preis für etwas zahlen zu sollen, mit dem sie nichts
zu tun haben. Und angesichts von anderen historischen Ereignissen, über
die als ethnische Säuberung berichtet wurde (Kosovo, Bosnien), kehren
die Palästinenser zu ihrer Geschichte zurück und verweisen wieder
und wieder auf die ethnische Säuberung, die das palästinensische
Volk in seiner "Nakba" durchlitten hat. (Auf das Thema das Gedenkens und
des Krieges um das Bewusstsein werde ich noch zurückkommen).
Aus der Sicht der Araber ist die Schoah ein europäisches
Ereignis, zu dem sie keine direkte Verbindung haben. Es ist ein Ereignis,
das auf europäischer Erde begonnen und geendet hat. Jamal Alaitani,
einer der bekannten ägyptischen intellektuellen Journalisten hat über
die fehlende Verbindung zwischen den Arabern und der Schoah in diesem Sinne
geschrieben. Die Schoah ist eine Tat der Nazis gegen Juden und Nichtjuden
in Europa und sie hätte auch die Araber erreichen können, wenn
die Nazis gesiegt hätten. Die Verbindung zwischen dem arabisch-israelischen
Konflikt und der Schoah ist nach Alaitani ein Fehler. Er hat die Reaktion
palästinensischer Führer wie Said, Derwisch, Elias Chouri und
vieler anderer begrüßt, die eine Petition gegen das Symposion
von Beirut zur Leugnung der Schoah unterschrieben haben. Er merkt an, dass
es nicht bekannt sei, wer zu dieser Versammlung eingeladen hat. Die Einladung
erschien im Internet ohne Angabe der Organisatoren, stieß allerdings
bei einigen Arabern auf offene Ohren.
Es ist richtig, dass es Araber gab, die in diesem oder jenem
Stadium Sympathien zu den Nazis entdeckt haben, wie Haj Amin al Husseini
oder Sadat. Aber die Araber behaupten, dass die arabische Unterstützung
keinerlei Einfluss auf die Vernichtungsmaschinerie der Nazis hatte und
auf die Entscheidung zur "Endlösung der Judenfrage". Darüber
hinaus behaupten sie, dass es einen Unterschied gibt, wie man sich in Israel
auf Husseini und auf Saddat bezieht: Zu den Zeiten als Saddat noch ein
Erzfeind Israels war, wurde immer auf seine Begeisterung für die Nazis
verwiesen, während nach der Unterzeichnung des Friedens mit Israel
und seinem Besuch in Jerusalem 1977 kein Wort mehr über seine Vergangenheit
verloren wurde. Husseini dagegen, der trotz seines Besuches in Deutschland
- wie Saddat auch keinerlei Einfluss auf die Taten der Nazis hatte, aber
eben nicht auf dem Pfad der Versöhnung mit Israel gewandelt war, als
Vertreter eines Volkes, das sein ganzes Land verloren hat und von dem ein
Viertel zu Flüchtlingen gemacht wurde, wird weiter als Teil der Nazi-Maschinerie
dargestellt. So ist es kein Zufall, dass sein Bild in der Ausstellung des
historischen Museums von Yad Vashem an einem zentralen Ort ins Auge sticht
- das gleiche Museum, das seine Fotoausstellung mit Deutschland am Vorabend
des Aufstiegs der Nazis und der Kristallnacht beginnen und mit der Errichtung
des Staates Israel enden lässt. Das Bild von Husseini beim Hitlergruß
befindet sich ziemlich am Schluss der Ausstellung. Und die Palästinenser
argumentieren, dass es nach dem Oslo-Abkommen nicht fair ist, dass ihr
"Rais" auch nach dem Beginn der Aussöhnung weiter als Hitler dargestellt
wird.
Tatsächlich kam dieser Hinweis (die Araber waren Nazisympathisanten)
von einem Vertreter von "Moledet", dem Knesset-Abgeordneten Gandi, aber
sie ist ohne Reaktion von Seiten der Israelis geblieben. Und so stellen
die Palästinenser die Frage: Warum diese Verunglimpfung, wo doch beide
Seiten ein Prozess der Versöhnung eingeleitet haben - wo andererseits
eine Versöhnung mit Deutschland nach Hitler, mit Adenauer-Deutschland
möglich war. Warum ist das in diesem Fall anders?
Die Missachtung der historischen Analogie von Seiten der Israelis
gegenüber den Arabern findet sich immer wieder in der Bezugnahme auf
Saddam Hussein. Noch ein Hitler, der da im Nahen Osten herangewachsen ist
und den man vernichten muss.
Aber es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt der Auseinandersetzung
mit der Schoah auf der israelischen Seite, die sich teils an arabische
Ohren, teils an die Israelis selber richtet. Der Härte der israelischen
Reaktion gegenüber den Palästinensern wird sogar von Israelis
als zu scharf beurteilt und als Faktor, der die moralische Argumentation
Israels als Opfer der Schoah neutralisiert. (Ilan Papa, Index, veröffentlicht
in El-Kuds, 27.4.2001.)
Die Erklärungen von religiösen und politischen Führern
in Israel (zum Thema Holocaust) treffen immer wieder auf aufnahmsbereite
Ohren auf der arabischen Seite. Die Worte des Rabbi Obadja, dass "die in
der Schoah Ermordeten eine Seelenwanderung von Sündern sind", (HaAretz
15.8.00.) oder die scharfen Worte von Shlomo Benisri (Abgeordneter der
orientalisch-orthodoxen Shas-Partei) über die Zionisten, die zwischen
Blut und Blut Unterschiede machten und die die Religiösen (im Holocaust)
preisgaben. (Ebenda.) Hierher gehört auch die Forderung religiöser
Oberhäupter an die Überlebenden, sich nicht verführen zu
lassen, Entschädigungen anzunehmen, aus der Befürchtung vor einer
Zunahme des Antisemitismus in der Welt.
Die Standpunkte von Juden, insbesondere von Angehörigen
der Familien von Überlebenden oder Ermordeten, haben einen großen
Einfluss auf den Standpunkt der Araber, und er bleibt ihren Augen nicht
verborgen. Ich führe als Beispiel die Thesen Norman Finkelsteins in
seinem Buch "The Holocaust Industry, London 2000" an, das einen großen
Einfluss unter den Intellektuellen vor allem Palästinensern hatte.
Eine Kritik des Buches ist in der palästinensischen Vierteljahresschrift
"El-Karmel" erschienen. Ebenso verfolgt man mit Aufmerksamkeit die Organisationen
von SchoahLeugnern im Westen einschließlich der USA, wie die "Organisation
zur Einschätzung der Schoah", deren Zentrum sich in Kalifornien befindet,
und die wahrscheinlich zu dem abgesagten Symposium in Beirut eingeladen
hatte, das dann in Amman veranstaltet werden sollte, auf Anweisung von
König Abdallah aber wieder abgesagt werden musste. (HaAretz
vom 13.2.02.) Die Leugnung der Schoah schlägt in der arabischen Welt
noch immer große Wellen. Aber die Araber nehmen einen Unterschied
wahr zwischen der Reaktion der Juden auf eine arabische, muslimische Leugnung
und auf eine Leugnung mit westlichen Wurzeln. Und sie weisen auf die schwache
Reaktion gegenüber einer Leugnung mit westlichen Wurzeln gegenüber
der Betonung und Hervorhebung einer Leugnung auf arabischer Seite hin.
(Bashar Assad zum Beispiel.)
Aber auch die Araber machen Unterschiede in ihrer Bezugnahme
auf die Leugnungen der Schoah von verschiedener Seite. Ihre Reaktionen
gegenüber David Irving, dem brittischen Historiker, ließ mangelndes
Interesse und mangelnde Begeisterung für den Mann erkennen, so reagierte
man auch gegenüber dem ehemaligen Präsidenten von Kroatien, aber
sobald der Leugner ein zum Islam übergetretener Philosoph ist, wie
Roger Garaudy, ist die arabische Reaktion begeistert und auch Araber zeigen
sich bereit, den Kampf des Mannes finanziell vor Gerichten in Frankreich
zu unterstützen.
Auch auf historisch-religiöser Ebene bietet das Buch von
Israel Shahak ein Bild, das eine angenehme Basis für die Argumentationen
der Araber gegen das Judentum und gegen den Staat Israel darstellt. Übrigens
ist das Vorwort für die arabische Übersetzung von Edward Said
geschrieben, der vielen von uns bekannt ist. Viele Araber haben verneinend
und sogar missachtend auf die Schoah Bezug genommen, haben die Angaben
über Ablauf und Zahl der Ermordeten negiert. Reaktionen dieser Art
werden genährt von antisemitischer Propaganda. Ich verweise hauptsächlich
auf Hald alSmali, Doktor für Ingenieurwesen, der einen äußerst
giftigen Artikel zum Thema Schoah veröffentlicht hat. (Siehe Josef
AlGazi, HaAretz 25.5.90, ebenso auch Shefi Gabai, Ma'ariv 4.4.90. Zu einem
weiterer Verweis zum Thema der arabischen Leugnung siehe Ma'ariv vom 28.7.99,
12.7.99, 3.6.86 und 16.3.89; dieser letzte Artikel bezieht sich auf das
Verhältnis von arabischen Schülern in Israel zum Thema der Schoah,
ebenso der Artikel einen Tag zuvor vom 15.3.89 in der Zeitung Davar. Zur
Art und Weise, wie sich Palästinenser vor dem Hintergrund ihres Traumas
auf die Schoah beziehen, siehe den Artikel von Faruk Kadumi "Die Endlösung"
der Palästinenser, Yedi'ot 9.9.88.)
Man muss die Motive der Leugner in Betracht ziehen und meiner
Meinung nach muss man auch auf die politische Situation Bezug nehmen, in
der sie sich befinden und aus der heraus sie agieren, wenn sie von der
Schoah sprechen. Viele Äußerungen von Leugnern sind eine emotionale
Reaktion aus dem Bauch heraus auf sie umgebende Ereignisse und es ist schade,
dass man sich auf ein solch schwieriges Thema mit solchem Leichtsinn bezieht.
Meiner Meinung nach sollte man denen unter den Arabern ein geeignetes Gewicht
geben, die ihre Stimme gegen die Leugnung der Schoah erheben. Denken wir
an Edward Said, jenen wegen seiner Tätigkeit gegen die Leugnung der
Schoah bekannten Mann - manche sagen, dank seiner engen Verbindung mit
dem bekannten jüdischen Musiker Barenboim. Said hat einen interessanten
Artikel unter der Überschrift: "Die Basis der Co-Existenz" veröffentlicht.
Unter anderem bezieht er sich auf die Schoah und schreibt: "Um meine Menschlichkeit
wahren zu können, muss ich mich mit dem jüdischen Opfer in der
Schoah identifizieren." Der Artikel von Said wurde auf arabisch in der
ersten Novemberhälfte 1997 in fünf verschiedenen Zeitungen der
arabischen Welt veröffentlicht: unter anderem in Al-Hayyat (Beirut),
in Al-Aharam (Kairo) und in Al-Kuds (Ost-Jerusalem).
Man kann nicht behaupten, dass die arabische Welt heute frei
wäre von Antisemitismus. Die Wurzel und auch die Basis der arabischen
Einstellung gegenüber den Juden sind Ideen, die aus dem Westen - vornehmlich
durch christliche Autoren und durch die christliche Mission - eingedrungen
sind, und die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich über
den Sektor von Bildung und Erziehung im arabischen Osten Fuß gefasst
haben.
Eine weitere Basis ist die Religion. Wer sich für die Quellen
des Islam interessiert kann Bestätigung für die negativsten Behauptungen
gegenüber dem Judentum und den Juden finden, aber auch für die
allerpositivsten Aussagen. Seine Schärfe erhält das alles erst
durch den Konflikt zwischen dem Staat Israel, der zionistischen Bewegung
und den Arabern. Weil der Konflikt nur die Feindschaft konserviert und
die Glut des Hasses mehr und mehr schürt, hielt mein Lehrer, Prof.
Harkavi, es für richtig, anzunehmen, dass das Phänomen des arabischen
Antisemitismus vergänglich ist. Wenn ein Ende für den Konflikt
gefunden wird, wird auch der arabische Antisemitismus aufhören zu
existieren. Aber angesichts der massiven Gegenwart des Konflikts, insbesondere
des israelisch-palästinensischen, wird dieses Phänomen weiter
bestehen. Es wird - durch die breite Ausnutzung von religiösen und
gesellschaftlichen Stereotypen, die über die Medien den Juden zugeschrieben
werden - sogar noch stärker werden.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir befinden uns heute eine Woche
vor dem Beginn des islamischen Fastenmonats. Dieser Monat bringt
uns alle möglichen Radio- und Fernsehsendungen auf Arabisch, die Juden
in einem besonders negativen Licht darstellen. Alle negativen Eigenschaften
wie: List, Zaudern, Hochstapelei, Betrug, Lüge, Nichteinhalten
von Verträgen, Verrat, Zinsnehmen, Prostitution, Begehren, Versuch
andere zu beherrschen, und viele andere tauchen als Teil des negativen
Charakters des Juden auf. "Die Protokolle der Ältesten Zions" leuchten
auf und bilden bis heute den grundlegenden Hintergrund für das Verständnis
von den Juden. Das (antisemitische) Buch von Ajaj Noihaz, das bereits in
der 5. Auflage erschienen ist, hat große Popularität unter arabischen
Lesern gewonnen. Übrigens - in einem Interview, das ich mit einigen
(arabischen) Lehrern zum Thema Schoah geführt habe, tauchte ein neues
Stereotyp auf: Missachtung von Verträgen - und das infolge des bekannten
Ausspruchs des ermordeten J. Rabin, dass es keine heiligen Daten gibt.
Meine Gesprächspartner führten dies als Beispiel für den
schlechten Charakter der Juden an.
Vor 15 Jahren wurde ein Programm für die Erziehung zur CoExistenz
von jüdischen und arabischen Studenten an dem David Yellin Lehrerseminar
(an dem Hourani lehrt) eingerichtet. Schnell entdeckten wir, dass es eine
Wissenskluft unter den Studierenden beider Seiten gibt. Die Araber, die
die hebräische Bibel, Bialik, Tschernichowsky, Achad-haAm und moderne
hebräische Literatur studieren, taten sich schwer mit dem Thema der
Schoah. Da wir ausgewählte Themen aus dem Bereich der Geschichte,
der Religion, usw. jeweils symmetrisch unterrichten wollten, bemerkten
wir, dass jedes Mal, wenn das Thema Schoah angeschnitten wurde, die arabischen
Studenten das Thema der Nakba aufwarfen. So entschlossen wir uns,
entsprechende Texte vorzubereiten zu lassen. Unter dem Stoff, der vorbereitet
wurde, war das ins Arabische übersetzte Werk Janusch Korczaks, das
mit der Veröffentlichung der ersten Anthologie 1991 begann. Es war
dies das erste Mal, dass Korczak überhaupt ins Arabische übersetzt
wurde (mit der Übersetzung Houranis). Danach wurde entschieden, ein
Fach mit der Bezeichnung "Lehre der Schoah für arabische Studenten"
an der Hochschule zu etablieren. Dieses Fach existiert seit Mitte der 90er
Jahre. Es wird von zwei Lehrern unterrichtet: einem Juden und einem Araber.
Zu Beginn waren israelisch-arabische Studenten die Zielgruppe, in den letzten
drei Jahren sind mehr und mehr palästinensische Studenten dazu gekommen,
und die Lehrer für dieses Projekt werden aus OstJerusalem finanziert.
In diesem Jahr hat der Kurs vor einem Monat mit sieben Studenten begonnen,
heute sind es 42 in dem Kurs, der auf Arabisch für die Bevölkerung
Ost-Jerusalems stattfindet.
Der Versuch ist noch inmitten seiner Probezeit und es gibt daraus
noch viel für die Fortsetzung des Weges zu lernen. Vor allem ist das
Thema der Schoah eines der am meisten belasteten in dieser Arbeit. Studenten,
die ihre Projekte an israelischen Schulen durchführen wollten, sind
nicht auf besondere Probleme gestoßen. Andere, die das Thema an palästinensischen
Schulen in Ost-Jerusalem unterrichten wollten, stießen auf viele
Probleme. Ein Student musste seinen Direktor anlügen, dass seine Stunde
eine Geschichtsstunde sei und nicht die Schoah behandele. Als der Direktor
die Wahrheit entdeckte, entschied er, den Versuch abzubrechen. Schüler,
die an dem Projekt teilgenommen hatten, zeigten eine Vermischung der Begriffe
bezüglich Schoah und Nakba. Als sie über Lager sprachen, konnten
die Kleinen nicht zwischen (dem palästinensichen Flüchtlingslager)
Deheishe und Auschwitz unterscheiden, sind doch aus ihrer Sicht beides
Lager. Am Ende des Versuchs wurde ein Fragebogen unter den Schülern
verteilt, der eine Veränderung des Standpunkts infolge eines Wissenszuwachses
der Schüler zeigte. Unter den Studenten waren ca. 25%, bei denen sich
eine Veränderung in ihrem Verhältnis zu Schoah, zu den Juden,
zum Zionismus und zum Staat Israel eingestellt hatte. Bedenken wir, dass
dies in die Zeit vor der Al-Aksa Intifada fällt.
Übersetzung aus dem Hebräischen: Carolin Kalbhenn.
(Ergänzungen in Klammern von Michael Krupp)
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